Bei Nahaufnahmen reduziert sich der Bereich der Schärfentiefe optisch bedingt auf nur wenige Millimeter. Doch durch eine spezielle Aufnahmetechnik und geeigneter Software lässt sich die Schärfentiefe in vielen Fällen beliebig erweitern. Dazu werden von einem Motiv mehrere Aufnahmen mit veränderter Schärfeeinstellung gemacht, die dann mit einer Stapel-Software zu einem Bild zusammengefügt werden. Und das Beste – eine Freeware-Lösung lieferte teilweise die besten Ergebnisse. Jedenfalls erweitert die Multifokus-Technik die Aufnahmemöglichkeiten nicht nur bei Nahaufnahmen und bietet zusätzlich Spielraum für kreative Foto-Experimente.
Übrigens, im Englischen heißt diese Aufnahmetechnik „Focus stacking“ oder „Deep Focus Fusion (DFF)“, die Mehrfach-Aufnahmetechnik generell nennt sich „Multishooting”.
Pro und Kontra Multifokus-Aufnahmetechnik
Pro
- Man kann den idealen Blendenwert einstellen, bei dem das jeweilige Objektiv die beste Abbildungsqualität besitzt (meinst im Bereich f / 5,6 bis f / 8).
- Durch die Einschränkung auf nur eine Teilmenge der Stapelaufnahmen lässt sich noch im Nachhinein der Schärfebereich nach Belieben eingrenzen.
- Es können mehrere scharfe Ebenen mit unscharfen Bereichen dazwischen erzeugt werden. Der Kreativität sind durch gezielte Auswahl der einzelnen Fotos vor dem Stapelprozess keine Grenzen gesetzt.
Kontra – Einschränkungen bei Multifokus-Aufnahmen
- Für die Reihenaufnahmen ist unbedingt ein Stativ notwendig. Wird keine Blitzanlage verwendet, empfiehlt sich auch die Verwendung der Spiegelvorauslösung, um mögliche Bewegungsunschärfen zu vermeiden.
- Das Motiv sollte sich nicht bewegen, wodurch draußen in der Natur der Wind ein Problem sein kann. Zwar sind manche Softwarelösungen durchaus in der Lage, Bewegungsunschärfen automatisch zu korrigieren. Doch meist ist mühselige manuelle Retusche notwendig, um unerwünschte Fehler auf dem Foto zu beseitigen.
- Anders als bei HDR-Reihenaufnahmen ändert sich durch das Verändern des Fokus optisch bedingt die Größe des abgebildeten Objekts. Dadurch entstehen mitunter unschöne „Geisterränder“ an kontrastreichen Kanten, die nur schwer zu retuschieren sind.
Aufnahme-Technik
Für die Multifokus-Stapelaufnahmen benötigst du:
- Kamera mit manuellem Fokus und manueller Belichtungseinstellung
- Fernauslöser
- 3-Bein Stativ
- Bei Nahaufnahmen entsprechendes Makro-Objektiv, Nahfilter, Zwischenringe oder Balgenauszug
Motiv-Auswahl
Für die Aufnahmen sollten keine Bewegungen im Motiv stattfinden (Wind) und stabile Lichtverhältnisse vorherrschen. Das beste Ergebnis liefern Objekte vor einem einfärbigen Hintergrund.
Kamera-Einstellungen für die Multifokus-Aufnahmeserie
- Bildausschnitt: Fixiere deine Kamera am Stativ und stelle den gewünschten Bildausschnitt ein. Fokussiere dabei auf den nächsten Punkt, weil bei dieser Nahbereich-Einstellung das Motiv am größten dargestellt wird. Achte darauf, dass rund um das Motiv noch reichlich Freiraum bleibt. Bei der Überlagerung der Bilder kann es speziell in den Randbereichen zu Bildfehlern kommen.
- Bildformat: Wähle „RAW“ für das Aufnahmeformat deiner Kamera. Dadurch kannst du auch nach den Aufnahmen noch Belichtungsfehler korrigieren und alle Bilder synchronisieren. Sollte dies nicht möglich sein, wähle das TIF-Format und stelle den Weißabgleich weg von „Automatisch“ auf einen fixen Wert (je nach Licht auf Blitz oder Tageslicht).
- Belichtung: Ermittle die notwendigen Belichtungseinstellungen entweder über den eingebauten Belichtungsmesser oder durch Testaufnahmen. Dann stellst du die Werte im manuellen Belichtungsmodus auf deiner Kamera ein. Dadurch werden Helligkeitsunterschiede bei einzelnen Fotos deiner Aufnahmeserie verhindert.
- Spiegelvorauslösung: Falls du bei Tageslicht fotografierst und längere Belichtungszeiten als 1/30s benötigst, empfehle ich, zusätzlich die Spiegelvorauslösung zu aktivieren.
- Bildstabilisierung: Unbedingt abschalten, schließlich befindet sich die Kamera ohnedies auf dem Stativ. In Zusammenhang mit Blitzlicht kann der Bildstabilisator sogar das Ergebnis verschlechtern.
- Fokussierung: Schalte den Autofokus ab und stelle manuell auf den nächsten Punkt scharf.
- Jetzt kannst du deine Aufnahmeserie beginnen. Vor jedem Foto bewegst du manuell den Fokus-Einstellring ein kleines Stück Richtung „unendlich“. Solltest du allerdings mit einem Balgenschlitten arbeiten, verkürzt du jedes Mal die Länge des Balgenauszugs.
- Falls noch Zeit bleibt, solltest du zusätzliche Serien mit verändertem Blickwinkel erstellen. Leichte Veränderungen können später bei den Software-Verarbeitungen zu besseren Ergebnissen führen.
Tipp: Ideal zur Kontrolle der jeweiligen Schärfebereiche ist ein angeschlossener Laptop, der über „Tethering“ mit der Kamera verbunden ist. So kannst du bei jeder Aufnahme optimal kontrollieren, ob sich die Schärfetiefenbereiche genügend weit überlappen. Zur Sicherheit solltest du jedenfalls die Fokus-Einstellung zwischen den Aufnahmen nur wenig ändern. Bei der Verarbeitung kannst du überflüssige Aufnahmen noch immer entfernen, fehlende Schärfebereiche wirken sich hingegen negativ auf das Endergebnis aus.
Im nächsten Teil meines Multifokus-Specials stelle ich verschiedene Software-Lösungen für die Montage der Aufnahme-Serien vor.